SIGNALSTADT

Eine interdisziplinäre Tagung zu Kulturgeschichte & Architekturpraxis des Auditiven

Ort: Auditorium des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrums
Konzeption: Olaf Schäfer, Holger Schulze & Urs Walter
Termin: Donnerstag/Freitag 12./13. Juni 2014

Eine Kooperation des
Basisprojektes Signalraum am Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltungund dem DFG-Projekt Sound Studies Lab an der Humboldt-Universität zu Berlin
mit dem
Institut für Architektur der Technischen Universität Berlin Fachgebiet Partizipatives Entwerfen und Konstruieren und dem
Studio Urban Resonance

KONZEPTION

I. Zum Entwerfen und Hören auditiver Räume

Architektur kann man hören. Sei es das steinerne Foyer als repräsentative Eingangshalle oder die bevölkerte Einkaufsstraße mit ihren Exklamationen, Betriebsanzeigen, Werbebotschaften, Motoren und Playlists. Der spezifische Klang eines Ortes, seine markanten und ephemeren Qualitäten, prägen, wie wir unsere gebaute Umgebung wahrnehmen und erleben.

Jede Konzeption von Architektur gestaltet unsere Klangumwelt. Kulturgeschichtlich entwickelt sich die Stadt damit in Richtung eines Signalraums, in dem auditive, visuelle, haptische und olfaktorische Signale einander durchdringen; die Architektur plant in diese Signalstadt hinein ihre Entwürfe des Bauens, Wohnens, Arbeitens.

Diese Tagung nähert sich der Konstruktion und Wahrnehmung unserer gebauten
Umwelt daher aus zwei Richtungen: zum einen aus der Architekturpraxis des konkreten Planens und Entwerfens der gebauten Stadt – zum anderen aus Sicht der Kulturgeschichte, die historische, zeitgeno?ssische und futurische Deutungen der die Signalstadt entwirft.

II. Entwurfslehre und Planungspraxis in der Architektur

Das Verständnis für die Bedeutung unserer Hörumgebung gewinnt unter Architektinnen und Stadtplanern zunehmend an Bedeutung. In der eigenen Architekturpraxis aber ist eine auf das Hören bezogene Entwurfshaltung wenig verankert. Möglicherweise liegt ein Grund für diese Diskrepanz in einer medialen Abhängigkeit: Entwurfs- und Planungswerkzeuge stellen die Konzeptionen tendenziell visuell dar. Aus Skizzen, Plänen, Renderings und Modelldarstellungen ist die Wahrnehmung einer anderen Sinnesmodalität wie Hören und der daran geknüpften Empfindungen jedoch ausgeschlossen. Prinzipiell bleiben die Mittel des Entwerfens damit stumm.

Dagegen eröffnen Klangaufnahmen und Klangcollagen als hörbare Instrumente qualitativ eine andere Ebene des architektonischen Denkens. Die Tagung sucht daher Schnittstellen auf, an denen auditive Wissensdisziplinen und Soundpraktiken in der Architektur fruchtbar werden. Wegweisend ist hier das Konzept der "aural architecture" (Blesser/Salter 2007). Sie erforscht Architektur als eine Disziplin, die urbane Klänge im Wechselspiel sozialer, konstruktiver und atmosphärischen Bedingungen produziert.

Die Tagung bringt Architektinnen und Planer zusammen, die eine spezifische Position zu ihrer Rolle als auditive Architekten im Planungsprozess bezogen haben. Lehrende stellen vor, welche Entwurfsmittel und -methoden sie einsetzen, um die hörbare Dimension von Raum in der Architekturausbildung zu integrieren.

III. Kulturgeschichte und Kulturtheorie des Signalraums

Die Signalisierungen im urbanen Raum aus Alarm-, Status-, Jubel- und Warnklängen und -grafiken nehmen unaufhörlich zu. Jetzt kommt schon wieder ein Jingle, die Bahn dröhnt laut vorbei, wir hören des Handysignal einer Person im Zuschauerraum. Die Gestaltungsprinzipien dieser Signale, ihre Präsentationen, Verlaufsformen und Sendemuster zwischen visuellen, haptischen, kinästhetischen und auditiven Qualitäten sind aber nach wie vor ungeklärt. Vibrationen des Stroms und Sirren der Screens. Wie domestizieren wir mit Entwürfen und Signalen die wilden Räume des Urbanen?

Die Kulturgeschichte und Gestaltungstheorie der öffentlichen und geschlossenen Räume erforscht diese Gestaltungs- und Nutzungspraktiken menschlicher Sensorik in ultra- wie infrasensorischen Räumen. Signale des Urbanen und infrastrukturelle Klänge einzelner Architekturen werden in historische Zusammenhänge eingebettet und transdisziplinär verknüpft: eine "aural architecture" (Blesser/Salter 2007) des Lebens unter Signalen. Das Schmerzen von Nachrichtentönen und Tanzmusik ist immer auch Teil unserer lustvollen Selbstüberschreitung und -darstellung; die rauchenden Motoren der Baufahrzeuge sind manchmal kein verabscheuter Lärm, sondern erfreuen uns – etwa, wenn sie eine Havarie beheben.

Die Tagung bringt Kulturhistoriker und Gestaltungstheoretiker zusammen, um zu erkunden, wie unsere gebaute Umgebung geprägt wird von auditiven Gestaltungen auch nach dem Ende der Mobilität durch fossile Brennstoffe: hochdynamisch und sich überlagernd zwischen Architektur, Infrastruktur und urbaner Logistik, zwischen Sound Design und Audio Branding, zwischen kommunalen Entscheidungsgremien und internationalen Kommunikationsagenturen und Planungsbüros. Klingeltöne und Sirenen bewohnen dieses Haus. Welche Erfordernisse wird eine Architekturtheorie des Auditiven zu erfüllen haben?

IV. Exkurs: Auditives Entwerfen und mediale Vermittlung

Einen Ausblick in potenzielle Praktiken des auditiven Bauens bilden zum einen ein auditiver Entwurfsworkshop für Architektur an der Technischen Universität Berlin und ausgewählte Sound- und Signalwalks während der Tagung; zum anderen eine Diskussionsrunde, in der die mediale Vermittlung von Architektur durch Zeitschriften, Bücher und Websites kritisch auf ihre auditiven Ambitionen und Grenzen befragt werden soll: Wie können Publikations- und Wettbewerbsbedingungen verändert werden, damit der Höreindruck von Architektur notwendiger Teil von Präsentation und Kritik werden kann?

PROGRAMM
Tag I (12. Juni 2014)
09:30 PANORAMA: Wieso Aural Architecture?

A DIE WILDEN SIGNALE DES GEBAUTEN RAUMS
Zur Kulturgeschichte des Architekturklangs
(Format: 20 Minuten Präsentation - 10 Minuten kritische Respons - 30 Minuten Publikumsdiskussion)

B SCHADET DAS ZEICHNEN DEM ARCHITEKTONISCHEN ENTWERFEN?
Ansätze einer klangbewussten Entwurfsmethodik
(Format: 20 Minuten Präsentation - 10 Minuten kritische Respons - 30 Minuten Publikumsdiskussion)

Diskussionsrunde: JENSEITS DER ARCHITEKTURPORNOGRAPHIE. Möglichkeiten und Grenzen des Auditiven in Zeitschriften und Wettbewerben der Architektur

Tag II (13. Juni 2014)

C BAUT AUF DIESEN KLANG
Klangbeispiele aus der Architekturpraxis
(Format: 20 Minuten Präsentation - 10 Minuten kritische Respons - 30 Minuten Publikumsdiskussion)

D DIE ZUKUNFT DES URBANEN SIGNALRAUMS
Zur auditiven Kulturtheorie öffentlicher Räume